Österreichisches Staatsarchiv Wien

Verzeichnungseinheiten

Hier können Sie sich die Verzeichnungseinheiten, die von diesem Archiv erfasst wurden, auflisten lassen.

Historischer Kontext

Das Kaisertum Österreich stand trotz des Ausgleichs mit Ungarn von 1867 unter dem Druck wachsender Nationalitätenkonflikte, insbesondere mit den diversen slawischen Nationalitäten innerhalb des Reiches. Damit sahen sich die Habsburgermonarchie wie auch die spätere Erste Republik Österreich (1919–1934) minderheitenpolitisch in einer ähnlichen Situation wie einige deutsche Staaten, weswegen es unregelmäßig zu einem Informationsaustausch der Regierungen und Behörden Österreichs, des Deutschen Reiches, Preußens und Sachsens über allgemeine Minderheitenbelange kam. Dabei ging es wohlgemerkt nicht um die Entwicklung einer modernen, auf Ausgleich und Partizipation angelegten Minderheitenpolitik, sondern um ein autoritär-restauratives Konzept zur Abwehr und Unterdrückung entsprechender Forderungen der nicht deutschen Nationalitäten. Während der Pariser Friedensverhandlungen stand deutscherseits eine mögliche sorbische Sezession im Mittelpunkt des Interesses. Ab 1920 waren Preußen und vor allem Sachsen besonders interessiert an der Wendenbewegung, d.h. an jeglichen sorbischen kulturellen, sportlichen oder politischen Organisationen, die sie allesamt als staatsgefährdend und von der Tschechoslowakei unterstützt rezipierten. Die Sammlung entsprechender Informationen Österreichs für die deutschen Nachbarn mit anschließender Weiterleitung erfolgte über die diplomatischen Dienste Wiens, also bspw. über das österreichische Außenministerium und dessen Botschaften/Gesandtschaften in Berlin und Dresden sowie weitere Gesandtschaften/Konsulate in den späteren slawischen Sezessionsstaaten (Prag/Praha, Agram/Zagreb, Laibach/Ljubljana).

Überlieferungsgeschichte

Das österreichische Staatsarchiv verwahrt die Überlieferung der Zentralbehörden der ehemaligen Habsburgermonarchie sowie der obersten Organe und Bundesministerien der Republik Österreich. Die Bestände des Bereiches Bundeskanzleramt/Auswärtige Angelegenheiten wurden unmittelbar nach der Auflösung der 1. Republik 1934 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv deponiert. Durch kriegsbedingte Auslagerungen sind geringe Bestandsverluste eingetreten. Der hier einschlägige Bestand „Neues Politisches Archiv“ (NPA) ist durchgängig benutzbar, jedoch zu einem großen Teil nur nach Provenienzstelle, Aktentitel (Betreff) und Laufzeit erschlossen.

Sorabistische Relevanz

Die Kooperation Österreichs insbesondere mit Preußen und Sachsen zum Nachteil vor allem slawischer nationaler Minderheiten hat in den überlieferten Akten der Regierung und der obersten Behörden Österreichs kaum Spuren hinterlassen. Zwar wurden einzelne Dokumente, jedoch keine Vorgänge oder gar Akten dazu gefunden. Diese Unterlagen korrespondieren aber idealtypisch mit bereits anderenorts gefundenen Dokumenten. Nichtsdestotrotz sind die Unterlagen des „Neues Politischen Archivs“ für minderheitenpolitische oder diplomatiegeschichtliche Fragen allgemein eine Quelle ersten Ranges, denn sie geben umfänglich Auskunft über die Minderheitenpolitik Österreichs – sowohl gegenüber den nicht deutschen Minderheiten im eigenen Land wie auch in Bezug auf die deutschen Minderheiten in vormals zur Habsburgermonarchie gehörenden Gebieten (insbesondere in Südtirol oder im Königreich SHS/Jugoslawien). Die Sachverhalte sind weitgehend die Gleichen wie bei den Sorben in Sachsen und Preußen: der Streit um Schule und Unterrichtssprache sowie politische Repräsentanz und Loyalität der Minderheit gegenüber dem Staat.