Verzeichnungseinheiten
Hier können Sie sich die Verzeichnungseinheiten, die von diesem Archiv erfasst wurden, auflisten lassen.
Historischer Kontext
Die Slowenen waren eine der kleineren Nationalitäten des habsburgischen Vielvölkerreiches. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich über mehrere habsburgische Kronländer, das Kernland dieser südslawischen Sprachgruppe war das zu den österreichischen Erbländern zählende Herzogtum Krain. Hier waren am Ende des 19. Jahrhunderts die Slowenen mit einem Anteil von 94,4 Prozent an der Bevölkerung die klar dominierende Nationalität, ihr kulturelles Zentrum der Slowenen war die krainische Hauptstadt Laibach (slowenisch Ljubljana).
Zum primären Identitäts- und Differenzierungsmerkmal der Slowenen wurde während dieser Zeit die Sprache. Ähnlich wie die Sorben wurden auch Sprecher der slawischen Dialekte im Ostalpenraum im Deutschen als Wenden oder Windische bezeichnet, bis diese Benennung durch die slowenische Eigenbezeichnung Slowenen (slovenci) ersetzt wurde.
Nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns gegen Ende des Ersten Weltkrieges entstand am 1. Dezember 1918 das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, aus dem 1929 nach einem Staatsstreich des serbischen Königs Alexander I. Karađorđević das Königreich Jugoslawien wurde.
Sprachlich und kulturell standen sich Lausitzer Sorben und Slowenen nahe, Panorganisationen wie die patriotische Sokol-Turnbewegung in der Tschechoslowakei und Jugoslawien sowie die in der Zwischenkriegszeit lebendige panslawische Idee vermittelten vielfache Begegnungen und Austausch zwischen Völkern Ost- und Mitteleuropas. Diese aber erschienen den Regierungen in Berlin, Dresden und Wien angesichts ihrer eigenen minderheitenpolitischen Lage als bedrohlich. Deswegen kam es unregelmäßig zu einem Informationsaustausch der Regierungen und Behörden Deutsch-Österreichs, des Deutschen Reiches, Preußens und Sachsens über allgemeine Minderheitenbelange. Dabei ging es wohlgemerkt nicht um die Entwicklung einer modernen, auf Ausgleich und Partizipation angelegten Minderheitenpolitik, sondern um ein autoritär-restauratives Konzept zur Abwehr und Unterdrückung entsprechender Forderungen oder auch nur kultureller Praxen der nicht deutschen Nationalitäten. Die Freistaaten Preußen und vor allem Sachsen waren besonders interessiert an der Wendenbewegung, d.h. an jeglichen sorbischen kulturellen, sportlichen oder politischen Organisationen, die sie allesamt als staatsgefährdend und von der Tschechoslowakei unterstützt rezipierten. Die Sammlung entsprechender Informationen Österreichs für die deutschen Nachbarn mit anschließender Weiterleitung erfolgte über die diplomatischen Dienste Wiens, also bspw. über das österreichische Außenministerium und dessen Botschaften/Gesandtschaften in Berlin und Dresden sowie weitere Gesandtschaften/Konsulate in den slawischen Sezessionsstaaten (Prag/Praha, Agram/Zagreb, Laibach/Ljubljana). Argwöhnisch beobachtet wurden auch die Berichterstattung des Völkerbundes zur Lage der Minderheiten in diesen Staaten sowie die Tätigkeit von Vertretern der gerade erst entstehenden zivilgesellschaftlichen Organisationen (etwa des Europäischen Nationalitätenkongresses), die sich intensiv um die Minderheiten in Ostmitteleuropa bemühten.
Überlieferungsgeschichte
Der Beginn der Überlieferung der Provinzbehörden der Krain setzt ein mit der Gründung einer Historischen Gesellschaft der Krain (Historično društvo za Kranjsko) im Jahr 1859, die aber zunächst innerhalb des Provinzmuseums in Ljubljana agierte. Diese Regelung blieb auch bestehen, als im Jahr 1926 erstmals ein Staatsarchiv installiert wurde. Nach dem Ende der deutschen Besatzungsherrschaft wurde im Oktober 1945 das Slowenische Staatsarchiv als eigenständige Einrichtung gegründet, das seit 1991 als Arhiv Republike Slovenije firmiert. Neben der Überlieferung der Behörden, der Gerichte und sonstigen Einrichtungen der Republik Slowenien verwahrt das Arhiv Republike Slovenije nun auch diverse jugoslawische Sonderarchive (u. a. der Staatspartei und Geheimpolizei) sowie Sammlungen und Nachlässe slowenischer Persönlichkeiten, etwa denjenigen des aus Triest stammenden Rechtsanwalts und Menschenrechtsaktivisten Josip Vilfan/Wilfan (1878–1955).
Sorabistische Relevanz
Staatliche Unterlagen zu sorabistischen Themen sind im Arhiv Republike Slovenije nicht überliefert. Die einschlägigen Akten, insbesondere des Habsburgischen Außenministeriums und der nachgeordneten Auslandsvertretungen bzw. der späteren österreichischen Gesandtschaft in Ljubljana, sind im Österreichischen Staatsarchiv in Wien überliefert.
Als von herausragender Bedeutung für die historische Minderheitenforschung ist aber der o.g. Nachlass des Josip Vilfan/Wilfan anzusehen, der von 1925 bis 1938 Präsident des Europäischen Nationalitätenkongresses war. Da die Verbandsregistratur kriegsbedingt als verloren gilt, ist der Bestand zugleich als Ersatzüberlieferung anzusehen. Die Unterlagen bilden nahezu das gesamte Spektrum minderheitenpolitischer Sachverhalte im Europa der Zwischenkriegszeit ab, wobei die Themen sich wiederholen (analog zu den sorbischen Sachverhalten): der Streit um Schule und Unterrichtssprache, politische Repräsentanz und Loyalität der Minderheit gegenüber dem Staat der Mehrheit. Schwerpunkte in den 1920er und 1930er Jahren sind die (romanischen sowie) deutschen und die slawischen Minderheiten; in den 1930er Jahren kommt die Frage der jüdischen Bevölkerung in Ostmitteleuropa hinzu. Entsprechende Forschungsvorhaben (insbesondere zu süd- und südosteuropäischen Themen) werden um diesen Quellenbestand nicht umhinkommen. Die Dichte der Informationen ist mit der Überlieferung der Minderheitenabteilung des Völkerbundes vergleichbar. Im Unterschied dazu sind die Minderheiten in den Unterlagen Vilfans/Wilfans nicht Objekt der Berichterstattung, sondern politisch handelnde Subjekte. Mithin ist diesen Unterlagen hermeneutisch eine besondere Bedeutung zuzurechnen. Und auch politik- und diplomatiegeschichtlich sind sie eine Quelle ersten Ranges, zeigen sie doch eindrücklich, wie eine Nichtregierungsorganisation in der Zwischenkriegszeit versuchte, Konflikte beizulegen, Einfluss auf staatliche Akteure zu gewinnen und interne Differenzen zu moderieren.
Sorabistisch im engeren Sinne von Interesse sind Korrespondenzen mit Vertretern der organisierten Lausitzer Sorben (Jakob Lorenz, Jan Cyž, Mina Witkojc, Jan Skala) sowie interne Unterlagen, die deren minderheitenpolitische Arbeit reflektieren (bspw. Konflikte zwischen Dänen/Friesen und Sorben, die schließlich zum Rückzug der Sorben aus den minderheitenpolitischen Verbänden der Zwischenkriegszeit führten).