Die vorliegende Edition umfasst 50 Dokumente aus dem Zeitraum zwischen 1540 und 1791. Sie stammen aus dem Bereich des Kirchwesens der Immediatstadt Lübben im Markgraftum Niederlausitz und stehen in enger Beziehung zunächst zu den in Lübben tätigen sorbischen Kaplänen bzw. Diakonen, später dann auch der sorbischen Gemeinde und sorbischen Kirche. Hauptsächliches Auswahlkriterium für die Edition war eine signifikante Aussagekraft über die Entwicklung des sorbischen Kirchwesens und im Rahmen dessen der sorbischen Sprache.
Angesichts des Fehlens narrativer Quellen entstammen die edierten Dokumente ausschließlich der Aktenüberlieferung der mit dem frühneuzeitlichen Lübbener Kirchwesen verbundenen Institutionen und Behörden. Heute werden diese in folgenden Archiven und Archivbeständen verwahrt:
Luckau, Kreisarchiv Landkreis Dahme-Spreewald (KLDS), A-4 Stadt Lübben
Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Rep. 10C, Deutsche und Wendische Kirche in Lübben
Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 17A, Landvogtei der Niederlausitz
Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 40C, Niederlausitzisches Konsistorium
Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 64B, Superintendentur Lübben
Das übergeordnete Auswahlkriterium – eine signifikante Aussagekraft über die Entwicklung des sorbischen Kirchwesens und im Rahmen dessen der sorbischen Sprache – bestimmt die chronologischen Eckpunkte der Edition. So setzt im Jahr 1540 die bisher nicht edierte aktenmäßige Überlieferung zum sorbischen Kirchwesen in Lübben ein.1Vgl. einzelne Nennungen sorbischer Kapläne sowie die Rechnungen zum Bau der sorbischen Kirche 1572: UB Lübben 1; UB Lübben 2; UB Lübben 3. Ein Dokument des Jahres 1553, in dem der deutsche und der sorbische Kaplan aus Lübben Rechtseinschränkungen durch den Offizial beklagen, ist 1738 in den „Destinata literaria et fragmenta Lusatica“ publiziert worden. (Historische Continuation, S. 514–517, verzeichnet in: Worbs, Inventarium, Nr. 1231, S. 391). Ein Bericht über einen sorbischen Geisterseher in Lübben, der unter anderem durch den dortigen sorbischen Diakon verhört wurde, ist 1895 durch Otto Tschirch abgedruckt worden. (Tschirch, Geisterseher). Das Jahr 1791 stellt mit der Einstellung (Vgl. Nr. 50). des ersten nicht sorbischsprachigen Diakons in Lübben eine sprachgeschichtliche Zäsur dar. Auch wenn die sorbische Sprache in Teilen des Lübbener Kirchspiels bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gesprochen wurde, bedeutete das Verschwinden aus dem öffentlichen Raum eine signifikante Schwächung der gesellschaftlichen Position der sorbischen Sprache.
Innerhalb des edierten Materials sind zeitliche Schwerpunkte auszumachen. So entstammen 19 Dokumente dem 16. Jahrhundert, hiervon 17 den 1540er bis 1560er Jahren. Nur drei Texte repräsentieren den Zeitraum zwischen 1600 und 16502Hier auch die um 1600 entstandene Matrikel der Kirche zu Lübben berücksichtigt (Nr. 18)., weitere sieben Stücke entstammen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiederum 21 Stücke wurden für das 18. Jahrhundert ausgewählt. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts konzentrieren sich die edierten Dokumente zumeist auf Zeiträume, die einzelne oder wenige aufeinanderfolgende Jahre umfassen. Bedingt wird diese chronologische Verteilung insbesondere durch die Überlieferungssituation und die Spezifik des vorhandenen Aktenmaterials. So entstammen fast alle Stücke des 16. Jahrhunderts dem Lübbener „Missivbuch 1540–1567“ (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 14, Nr. 15) sowie dem Sammelkonvolut „Allgemeine Kirchenangelegenheiten 1540–1752“ (Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12, Nr. 19, Nr. 20). Diese im Vergleich zu anderen Lausitzer Städten sehr gute Überlieferungssituation zu den Vorgängen im Reformationszeitalter erlaubt es, zumindest die Umrisse des frühen sorbischen Kaplanats lutherischer Prägung in Lübben nachzuvollziehen. Für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts ist außer den Lübbener Kirchenrechnungen3Vgl. hierzu Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Rep. 10C Deutsche und Wendische Kirche., vereinzelten Stücken in den „Allgemeinen Kirchenangelegenheiten 1540–1752“ (hier Nr. 21.) nur wenig anderweitiges Aktenmaterial erhalten. Die Ursache hierfür sind die während des Dreißigjährigen Krieges entstandenen Schäden. Ab dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts sind deutlich mehr Akten überliefert und die Bandbreite der darin behandelten Themen steigt signifikant. Aussagen über die sorbische Sprache oder die Sorben sind dabei vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, anlässlich der Neubesetzung vakanter Stellen in das Aktenmaterial eingeflossen, sodass dieses Material vorrangig ausgewählt wurde. Naturgemäß gruppiert sich das Aktenmaterial hier um die Jahre, in denen Neubesetzungen vorgenommen wurden. Aussagen über die sorbische Sprache finden sich in den Akten aller Besetzungsverfahren im hier relevanten Zeitraum, beispielsweise in den Bewerbungsschreiben einzelner Kandidaten. Von besonderem Interesse sind allerdings Verfahren, bei denen es zu Konflikten betreffend der Sprachkenntnisse des oder der jeweiligen Kandidaten kam. Insgesamt sind im behandelten Zeitraum vier solcher Konflikte zu beobachten, um den sorbischen Küster Samuel Falter (1672-1684) (Nr. 23, Nr. 24), den sorbischen Prediger Michael Petrinus (1693) (Nr. 25, Nr. 26, Nr. 27, Nr. 28, Nr. 29), den Kandidaten Christian Samuel Bandeco (1744/45) (Nr. 31, Nr. 32, Nr. 33, Nr. 34, Nr. 35, Nr. 36, Nr. 37, Nr. 38, Nr. 39) und um den sorbischen Küster Gottfried Peterentz (1779) (Nr. 47, Nr. 48). Die Mehrzahl der edierten Dokumente des 17. und 18. Jahrhunderts steht im Zusammenhang mit diesen Sprachkonflikten. Allerdings werden hier nicht die einzelnen Verläufe nachgebildet, sondern es handelt sich um im Rahmen der Aktenüberlieferung exemplarische oder besonders aussagekräftige Dokumente.
Da dieselben Gegenstände insbesondere ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts häufig in einer Reihe von Texten behandelt werden (beispielsweise Briefe, Reskripte, Suppliken), wurde versucht, diese Bandbreite der Textsorten auch in der Edition widerzuspiegeln. Somit wird über die in den Texten enthaltenen Inhalte hinaus ein Überblick über die im überlieferten Aktenmaterial zu erwartenden Schriftgutarten gegeben. Ediert wurden Schreiben (Briefe) in verschiedenen Angelegenheiten (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 14, Nr. 15, Nr. 39, Nr. 43), Verträge (Nr. 3, Nr. 6, Nr. 13, Nr. 16, Nr. 17), eine urkundliche Verfügung (Nr. 7), ein Verzeichnis der Einkünfte des Lübbener Kirchenpersonals (Nr. 18), zwei Vokationsschreiben (Nr. 22, Nr. 45), Eingaben, Suppliken und Bittschreiben (Nr. 11, Nr. 20, Nr. 21, Nr. 24, Nr. 26, Nr. 30, Nr. 32, Nr. 40, Nr. 41), hierunter auch Bewerbungs- (Nr. 19, Nr. 23, vgl. auch Nr. 36, Nr. 37, Nr. 38) und Präsentationsschreiben (Nr. 44, Nr. 46, Nr. 47, Nr. 50), protokollartige Aktenvermerke (Nr. 25, Nr. 27, Nr. 28, 1Nr. 29, Nr. 31, Nr. 33, Nr. 34, Nr. 35, Nr. 49), Sprachzeugnisse (Nr. 44, Nr. 46, Nr. 48) und ein Behördenreskript (Nr. 42). Ausgespart wurden aus der Edition die Rechnungen der sorbischen Kirche, die ab 1665 getrennt von denen der deutschen Kirche vorliegen und als serielle Quelle einer gesonderten Auswertung bedürfen.