Aussagen zur sorbischen Sprache und Sprachbeherrschung setzen im hier präsentierten Quellenkorpus gegen Ende des 17. Jahrhunderts ein. Mithilfe weiterer Quellenzeugnisse aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts lässt sich im Lübbener Raum zwischen dem Beginn des 17. und dem ausgehenden 18. Jahrhundert die Entwicklung von der sorbischen Einsprachigkeit über die Zweisprachigkeit hin zur deutschen Einsprachigkeit gut nachvollziehen. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts muss die sorbische Einsprachigkeit unter der Bevölkerung in Lübben und Umgebung noch weit verbreitet gewesen sein.1Vgl. hierzu und zu den weiteren Ausführungen auch Mahling, Muttersprache. Auch in den der sorbischen Gemeinde zugeordneten Lübbener Vorstädten waren um 1650 „die meisten [….] der teutschen sprache nicht recht kundig […]“ (Nr. 27). 1672 baten Vertreter der sorbischen Gemeinde anlässlich der Küsterwahl um „eine qualificirte perschon, dem wier die windische sprache recht vernehmen“ (Nr. 24). Auf den vorherrschenden Gebrauch bzw. das Überwiegen des Sorbischen zumindest innerhalb der Familien deutet die Aussage der Vertreter der sorbischen Gemeinde anlässlich der Probepredigt des Kandidaten Michael Petrinus hin, in der sie auf guten Kenntnissen „unserer wendischen muttersprache“ bestanden.2Kreisarchiv Landkreis Dahme-Spreewald, A-4 Lübben, Nr. 5868, unpag. zu 1693 März 26. Diese Formulierung wurde allerdings auch 1744 noch gebraucht, zu einem Zeitpunkt, da bereits von einer weitgehenden Zweisprachigkeit der Bevölkerung auszugehen ist, vgl. Nr. 32. Erste Belege für einen Sprachwechsel innerhalb der sorbischen Gemeinde Lübben stammen vom Ende des 17. Jahrhunderts. 1686 wurde die sorbische Luckauer Vorstadt auf herzoglichen Befehl der Altstadt angegliedert. Trotzdem der weitere Ausbauplan erst um die Jahrhundertwende durch Christian Böhmer vorangetrieben werden sollte, begründete der Lübbener Rat die teilweise Zuordnung dieser Neustadt dem deutschen Archidiakon bereits im Jahr 1693 unter anderem damit, dass dort „alles deütsche leüte“ seien.3Kreisarchiv Landkreis Dahme-Spreewald, A-4 Lübben, Nr. 5868, unpag. zu 1693 April 2. Wohl unter dem Pfarrer Christian Ruland wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die rein sorbische Sonntagspredigt abgeschafft. So äußerten Vertreter der sorbischen Gemeinde nach dem Tod Rulands 1744, „ihr seeliger herr beichtvater hätte ja auch nicht viel wendisch geprediget und könnten sie ja in allen dörffern deutsch.“ (Nr. 31). Weitgehende Zweisprachigkeit bei wohl überwiegendem Gebrauch des Deutschen zumindest in der Spreevorstadt Lübbens wird in den Befragungsprotokollen anlässlich des Protests der sorbischen Gemeinde gegen den Kandidaten Christian Samuel Bandeco aus den Jahren 1744/45 deutlich. So äußerte der befragte Johann Georg Michaelis aus der Spreevorstadt „er könnte wendisch, so viel er in seinem hause und bey seiner handthierung brauchte, ein gebohrner wende aber sey er nicht.“ Martin Alter erklärte, er könne „etwas wendisch, verstehe auch das meiste“. Peter Lehniger und Matthes Braschke bezeugten ihre deutschen und sorbischen Sprachkenntnisse (Nr. 33). Im gottesdienstlichen Ablauf löste die deutsche Sprache die sorbische mehr und mehr ab. So wurde der Verlauf der Probepredigt Bandecos folgendermaßen protokolliert: „hat […] besagter her magister Bandeco nachdem er vorher die epistel und evangelium in deutscher und wendischer sprache abgesungen, letzteres auch nach dem gesange unter der predigt abgelesen, eine sehr erbauliche und wohlausgearbeitete predigt abgelegt und in derselbigen die lehre aus dem evangelio, wie ein lehrer und zuhörer in seiner probe vor Gott bestehen sollen, gründlich abgehandelt, auch nach geschloßener deutscher predigt einen kurzen auszug derselbigen in wendischer sprache appendiciert.“ (Nr. 34). Das weitere Schwinden des Sorbischen aus der Bevölkerung und dem kirchlichen Leben illustrieren die 1779 getroffenen Aussagen des (sorbischen) Diakons Andreas Gottlieb Fritze, der bestätigte, „daß seit den 17 jahren, da ich prediger dieser gemeinde bin, die wendische sprache sehr abgenommen, oft bey lebzeiten des letzten wendischen küsters das lied: ‚Allein Gott in der höh etc.‛, auch bisweilen der Glaube deutsch gesungen worden, daß die mehresten dörffer die wendischen exordia bey leichen predigten etc. depreciren, alle dieser gemeinden zwar deutsch, aber sehr viele nicht wendisch verstehen, auch daß, so lange ich hier bin, in dieser kirche nie ein wendisches gesangbuch gebraucht worden.“ (Nr. 48). Die Bauern „verstünden“ den„Glaube[n …] in der sprache auch nicht einmahl mehr […], daher [sie] ihn lieber deutsch sängen“ (Nr. 47). 1790 erklärten die Vertreter der sorbischen Gemeinde selbst, dass sie nichts gegen einen des Sorbischen unkundigen Kandidaten einzuwenden hätten, „da bey ihnen außer in Radensdorf und Hartmannsdorf teils wenig, teils gar nicht wendisch geredet würde, alle aber die deutsche sprache verstünden, auch in den schulen deutscher unterricht gegeben würde.“ Gleichzeitig baten sie darum, dass „künftig der wendische glaube deutsch gesungen und der eingang der vormittagspredigt […] demnach deutsch gehalten würde“ (Nr. 49). Daraufhin wurde 1791 der wohl vollkommen deutschsprachige Johann Gottfried Maltusch zum Diakon in Lübben berufen (Vgl. Nr. 50).